Der Schatz von Lascaux

Ich bin in Nouvelle-Aquitaine. Genauer gesagt im Périgord und noch genauer gesagt im Périgord Noir, im Département Dordogne.
Hier, in der Nähe der kleinen Stadt Montignac befindet sich der Landsitz von Lascaux. Und der spielt eine Rolle in der unglaublichen Geschichte eines mittlerweile weltberühmten Schatzes.
Im Dorf gab es schon sehr lange das Gerücht, das der Landsitz über einen geheimen Tunnel verfügen würde, dessen Ausgang sich irgendwo in den Hügeln vor Montignac befände. Viele hatten schon nach diesem Tunnel gesucht, ohne Erfolg.
Im September 1940 straifte Marcel, ein 15jähriger Junge, mit seinem Hund Robot durch die Wälder bei Montignac, als Robot plötzlich, wie vom Erdboden verschluckt, verschwand. Marcel rief nach ihm, suchte ihn verzweifelt und fand ihn endlich in einem vermeintlich frischen, durch der letzten heftigen Sturm entwurzelten Baum freigelegt worden war. Er warf ein paar Steine in das Loch um zu sehen, ob der Bau noch bewohnt ist. Doch als er hörte, dass die Steine sehr lange brauchten um am Boden anzukommen, wurde ihm klar, dass dies etwas anderes als ein Fuchsbau sein musste. Hatte er mit Glück und Hilfe von Robot den Tunnel zum Landsitz gefunden?
Marcel merkte schnell, dass er alleine nicht weiterkommen würde und machte sich auf den Weg zurück zum Dorf um seine Freunde einzuweihen.
Jacques 15 Jahre und ebenfalls aus Montignac, Georges 16 Jahre, zu Besuch bei seiner Großmutter in Montignac und Simon 15 Jahre, der als jüdischer Junge vor der heranrückenden deutschen Wehrmacht nach Montignac geflüchtet war – diese vier oder besser fünf, denn Robot durfte, dessen Neugierde alles zu verdanken war, durfte natürlich nicht fehlen, machten sich am 12.09.1940 erneut auf den Weg in den Wald. Sie hofften auf den Fund eines großen Schatzes, wie es die Legende um den Tunnel des Landsitzes seit langem versprach.
Sie fanden keinen Schatz aus Gold. Silber oder Edelsteinen, dafür aber einen geistigen Schatz der Menschheitsgeschichte.
Durch den von Robot gefundenen Eingang rutschten sie immer tiefer und tiefer unter die Erde. Im spärlichen Schein des Tageslicht, welches durch den schmalen Schacht fiel, konnten sie erste Zeichnungen an den Höhlenwänden erkennen, doch das Licht reichte nicht. Sie holten Taschenlampen, gingen an die Höhlenwände heran und so langsam wurde ihnen bewusst, dass sie etwas ganz besonderes entdeckt hatten.
Der Schwur, niemandem von der Entdeckung zu erzählen, hielt, wie so oft, nicht lange.
Nach vier Tagen wußte der Lehrer Bescheid. Er informierte Abbé Henri Breuil, ein Spezialist für Höhlenkunst, der sich zufälligerweise zu dieser Zeit ganz in der Nähe von Montignac aufhielt. Als einer der ersten Wissenschaftler konnte er sich noch im September 1940 die Höhle anschauen und erkannte sogleich die enorme Bedeutung des Fundes.
Die Höhlen von Lascaux waren entdeckt.
Von da an nahm das Ganze seinen Lauf. 1948 wurden die Höhlen für die Öffentlichkeit freigegeben. Nach einigen Jahren wurde jedoch festgestellt, dass aufgrund des Kondenswassers, verursacht durch die vielen Besucher, sich Algen und Schimmel gebildet hatten. Über die Jahrtausende seit ihrer Entstehung hatten sich die Malereien so gut erhalten, weil es in der Höhle recht trocken war und eine konstante Temperatur von etwa 14 Grad herrschte. Das änderte sich durch die täglich zugelassenen 1200 Besucher. Um der unwiederbringlichen Zerstörung entgegenzuwirken entschloss man sich 1963 die Höhlen für Publikum zu schließen.
Da das Interesse der Öffentlichkeit jedoch so groß war baute man einen Teil der insgesamt 250m langen langen Gänge nach und eröffnete 1983 Lascaux II für die Allgemeinheit. Nur ein paar hundert Meter neben dem tatsächlichen Höhleneingang konnte man nun eine exakte Nachbildung des „Saal der Stiere“ bewundern. Doch das Interesse einer Besichtigung wurde größer und internationaler, so dass man sich entschloss, das Museum Centre International d’Art Pariétal am Rande von Montignac zu bauen.
Der 2016 eingeweihte, sehr moderne Bau, fügt sich mit seinen Konturen in die Landschaft ein. Mit Hilfe neuer Techniken wurde mittels 3D-Veremessungen nahezu das gesamte Höhlensystem nachgebaut. Selbst die klimatischen Verhältnisse – konstante 14 Grad – hat man beibehalten.
Die Originalhöhle wird Lascaux I genannt. Der erste Nachbau Lascaux II und das Museum in Montignac Lascaux IV. Da fehlt doch einer! Wo oder was ist Lascaux III?
Des Rätsels Lösung: Seit 2012 existiert eine Wanderusstellung mit einigen Nachbildungen der Höhle und der Malereien, die schon in vielen Ländern der Welt zu sehen war. Und diese Wanderusstellung ist Lascaux III.
Ich besuche Lascaux IV im Februar. Der riesige Parkplatz vor dem futuristisch anmutenden Gebäude ist nur spärlich belegt. Die nächste Führung lässt auf sich warten, ich vertreibe mir die Zeit im Museumscafé und staune über die Preise. Ein Stück Kuchen um die 6€, der einfachte Kakao, der als Schokolade angepriesen wird etwa 4,50€.
Die Zeit vergeht, die Führung beginnt. Wir werden alle verarbeitet, erhalten einen Kopfhörer und ein kleines Gerät um den Hals. Darüber übertragen sich die Erklärungen des Guides auf die Kopfhörer. Praktisch. Der Guide muss nicht mehr lautadls erzählen und der Besucher kann sich etwas abseits stellen ohne etwas zu verpassen. Leider wird diese Führung nur auf französisch abgehalten, es gibt aber auch englisch sprachige.
Und da sind sie, die Malereien an den Felswänden. Fast ausnahmslos Tiere auf der Flucht vor anderen als Motiv vorgestellt. Pferde, Hirsche, A… und eine Szene die symbolisch für den Kampf der Menschen, vor ihm bedrohlich ein Rind mit langen Hörnern, den Kopf in Richtung des am Boden liegenden gegenübert.
Über die gesamten Höhlengänge ziehen sich die Malereien, wunderbar erhalten in ihren Farben und ihrer Ausdruckskraft. Die Tierkörper in ihren Bewegungen so natürlich wiedergegeben. Die Schönheit und der Eindruck der Leichtigkeit mit der diese Zeichnungen erstellt wurden, so wie das Wissen, dass sie vor 15.000 – 36.000 Jahren entstanden sind, macht demütig. Und ich kann jetzt nachvollziehen, dass Picasso beim Anblick dieser Zeichnungen gesagt haben soll:“Wir haben nichts dazu gelernt.“
Aus welchem Grund sich die Darstellungen, bis auf eine kleine Ausnahme, ausschließlich Tieren widmen, ist nicht bekannt. Stiere, Hirsche, Fische, Kühe, Pferde… in unterschiedlichen Größen und Farben. In der an die Höhlen angrenzenden Museumshalle kann man nachlesen und erschauen, aus welchem Material die Farben hergestellt wurden.
Auf dem Weg zum Ausgang gibt es noch ein Kino mit Filmanbgebot, bei meinem Besuch ist es geschlossen.
Und die Schatzfinder? Wie ist es ihnen ergangen? Haben sie einen „Finderlohn“ erhalten?
Ich konnte hierzu keine Quellen finden.
Von Simon aber weiß man, dass er zwei Tage nach der Entdeckung der Höhle mit seiner Familie nach Buchenwald deportiert wurde. Er hat überlebt.
Robot, der berühmte kleine Hund, hat immerhin eine Art Denkmal erhalten. Man sieht ihn, halb mit seinem vorderen Körperteil in der Erde verschwinden.
Infolge der Kriegswirren hatten sich die Freunde aus den Augen verloren und sahen sich erst 46 Jahre später wieder.
Keine Kommentare